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VON DER CÔTE DES LÉGENDES BIS ZUR CÔTE D’ EMERAUDE

Wie schnell doch die Zeit vergeht. Gerade noch sind wir von zu Hause aufgebrochen, schon befinden wir uns wieder auf dem Weg Richtung Heimat. Schade, die Bretagne hat noch so viel mehr zu bieten und wir hätten uns gerne noch einige der Sehenswürdigkeiten, Küsten und schönen alten Dörfer und Städte angesehen. Einiges davon haben wir schon auf vorherigen Reisen besucht, doch nach so langer Zeit verblasst die eine oder andere Erinnerung. Beim Ansehen der alten Fotografien kommen diese jedoch zurück und man möchte alles noch einmal auffrischen. Es wird sicher ein nächstes Mal geben.

 

Aber erst einmal soll es am Samstag, dem 19.10. eigentlich in den Norden der Bretagne gehen - an die „Küste der Legenden“. Das alte Algenfischerdorf „Meneham“ wollen wir uns ansehen, herumspazieren zwischen den gigantischen Felsformationen, und dem Leuchtturm, der aussieht wie eine kleine Kirche,  einen Besuch abstatten … dem „Phare de Pontusval“. Auf dem Weg nach Norden, in Plouzané suchen wir eine Autowerkstatt auf. Einer der rechten, hinteren Zwillingsreifen verliert Luft. Ein neues Ventil muss eingebaut werden. Aber, da Samstag ist, sind wir zu spät dran. In 15 Minuten ist Feierabend. Man empfiehlt uns eine Werkstatt in Brest, die hätten auch am Samstag ganztägig geöffnet. Aber dort ist man recht unwillig, wir passen von der Höhe her nicht in die Werkstatt, also lässt man uns „im Regen stehen“. Na gut, was soll’s … heute können wir nichts mehr ausrichten und für alle Fälle haben wir einen Luftkompressor dabei … also geht’s erst einmal zurück auf den Platz in Portez. Am Abend stellen wir fest, dass es mit der herrlichen Ruhe vorbei ist. Auch in Frankreich sind Herbstferien und es hat sich eine Gruppe (sehr) junger Leute mit Zelten auf dem nahe gelegenen Campingplatz niedergelassen. Warum müssen Mädchen bloß immer so kreischen? 

 

Am Sonntag wird Leo in der Waschanlage in Plouzané von Staub, Salz und sonstigem befreit, ein paar frische Lebensmittel werden eingekauft. Ansonsten verbringen wir den Tag ruhig auf einem der besten Stellplätze, die wir bis jetzt in der Bretagne gefunden haben … oben über den Klippen bei Bertheaume in Plougonvelin. Wunderbare Aussicht über das Meer. Weit draußen sehen wir die Landzunge „Pointe de Pen-Hir“ auf der Halbinsel Crozon mit ihren vorgelagerten Felseninseln, auf die die abendliche Sonne ihre Strahlen wirft. 

So … nun aber ab in die Werkstatt. Am Montag, dem 21.10. versuchen wir es erneut in Plouzané. Die Werkstatt, die am Samstag kurz vor Feierabend stand, ist heute gar nicht geöffnet. Der „Patron“ in einer anderen Werkstatt will gerade sein geheiligtes Mittagsmahl einnehmen, gibt uns aber noch einen Preis für ein neues Ventil an und vertröstet uns auf zwei Stunden später. Was sind schon zwei Stunden … doch letztlich haben wir die umsonst verdaddelt. Wie sich herausstellt, ist man hier nicht in der Lage, bei Zwillingsreifen neue Ventile einzubauen. Das hätte man uns aber auch gleich sagen können, Herr Patron! In Brest finden wird dann letztlich eine Mercedes-Werkstatt in der uns schnell und professionell geholfen wird. 

 

Von Plouzané geht es nun direkt weiter in den Norden nach Kerlouan (die Silbe „Ker“ bedeutet im Bretonischen „Dorf“). Wir haben großes Glück, denn das Wetter ist uns hold. Ein herrlicher sonniger Tag, der Atlantik liegt fast so ruhig wie ein Spiegel vor uns, riesige Granitbrocken rahmen die schöne Bucht mit dem feinen Sandstrand ein. Der kleine Leuchtturm „Pontusval“ lugt zwischen den Felsen hervor. Und hier liegt auch „Meneham“, oder auch „Menez Ham“ mit seinem zwischen Felsen eingezwängten Wachhäuschen aus dem 17. Jahrhundert. Ein Bild, das auf vielen Postkarten zu finden ist. 

Oben auf der Düne sind rechteckige, mit Steinen ausgelegte Aushebungen im Sand zu finden. Diese wurden zum Verbrennen der Algen benutzt. Doch können wir uns überhaupt keinen Reim darauf machen, wieso die Algen „verbrannt“ wurden. Was hatte das denn für einen Sinn, was wurde damit gemacht. Die Antwort finden wir im Internet, hier zwei Ausschnitte aus einem Artikel von 2017 aus der „Rhein-Neckar-Zeitung :

 

“Die Alge war lange das große Ding hier im kargen Nordwesten Frankreichs. Früher wurden die Pflanzen gesammelt, getrocknet und in Steingräben verbrannt. Noch heute kann man die "Soda-Öfen" in den Dünen entdecken. Die Asche diente als Dünge- und Heizmittel und wurde zur Schießpulverproduktion eingesetzt. Den großen Coup aber landete der Chemiker Bernard Courtois, der 1812 entdeckte, dass Algen besonders viel Jod enthalten. Napoleon ließ daraufhin in der Bretagne Fabriken bauen, eine aseptische Jodtinktur wurde in großem Stil industriell hergestellt. Das ging gut bis 1950, seither wird die Tinktur künstlich produziert.“

 

"Es gibt noch Algenfischerfamilien - aber immer weniger", erzählt uns Pierre. “50 seien es vielleicht noch in der ganzen Bretagne. Geerntet wird längst nicht mehr mit einer langen Sense, wie das Pierres Vater gemacht hat. In den 1950ern wurde ein Kran erfunden, Scoubidou genannt, der sich im Wasser dreht und die Pflanzen pflückt. Verarbeitet wird auch nicht mehr in den steinernen Gräben am Strand, sondern in Fabriken, an die die Fischer ihre frische Ware liefern müssen. Die Branche ist fest in der Hand von zwei amerikanischen Firmen, die die Preise bestimmen - was auch daran liegt, dass die Algenfischer (ungewöhnlich für französische 

Verhältnisse) nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Jeder Fischer verkauft seinen Fang eigenständig, berichtet Pierre“. 

 

Wie sich denken lässt, verbringen wir den gesamten Nachmittag und Abend auf dem Gelände von Menez Ham, aber vor allem am Strand zwischen den Felsen. Die Abendsonne bringt den Granit zum leuchten, wir finden es wunderbar hier. Leider gibt es keinen Stellplatz in der Nähe, die Campingplätze sind geschlossen. Was in den Sommermonaten unmöglich wäre, jetzt außerhalb der Saison aber kein Problem darstellt, ist, trotzdem einen Platz für die Nacht zu finden. So auch heute auf einem kleinen Parkplatz, etwas abseits, wo wir niemanden stören oder belästigen. 

 

Der nächste Morgen, der 22.10., empfängt uns mit unwahrscheinlich schönen Pastellfarben. Das Licht hier in der Bretagne - wenn denn keine Wolken die Sonne verhindern - ist schon etwas Besonderes. Auch heute ist es warm und es weht fast kein Lüftchen. Ideale Bedingungen für Aufnahmen. 

 

 

 

 

Aber uns bleiben nur noch wenige Tage, so entschließen wir uns, heute einen größeren Sprung zu machen. Vorbei an der wunderschönen „Côte de Granit Rose“, der Rosa Granitküste, wo wir vor sieben Jahren tolle Fotos schießen konnten. Damals hatten wir das große Glück bei Vollmond die Küste zu erleben mit einem aufgewühlten Meer und herrlichen Wellen. Eine Aufnahme von damals stellen wir hier einfach mal mit rein. 

Für die Granit Rose braucht man viel Zeit, um die volle Schönheit erfassen zu können. Die haben wir jetzt nicht, statt dessen fahren wir an die „Côte du Goelo“ zu dem kleinen Hafenstädtchen Loguivy, nördlich von Paimpol. Vor sieben Jahren noch war der Platz am Hafen voll gepackt mit Fischernetzen und Hummerkörben. Jetzt ist alles aufgeräumt, statt den Werkzeugen der Fischer findet man nur noch einen großen Parkplatz vor, auf dem sich auch die Wohnmmobil-Stellplätze befinden. Trotzdem sehen wir weiter draußen Fischerboote auslaufen und am nächsten Morgen stehen vor der Auktionshalle eine ganze Menge Kastenwagen, die auf den frisch angelieferten Fang warten. Also ist die Fischerei wohl noch lebendig, aber das gewisse Flair von damals - ist leider verschwunden.

Die Bretagne zeigt uns heute, dem 23.10., was ein Wetterwechsel bedeutet. Heute Morgen ist alles Grau in Grau, der Himmel ist verhangen, kein Sonnenstrahl weit und breit. Aber immer noch kein Lüftchen. Der Weg führt uns vorbei an St-Brieuc zur Landzunge „Cap Frehel“ an der Smaragdküste, der „Côte d’Emeraude“, vielleicht die beeindruckendste, im Frühjahr und Sommer sicher die farbenprächtigste der vielen Landzungen der Bretagne. 

 

„Die Klippen bestehen aus rötlichem Sandstein, schwarzem Schiefer und dem von der Côte de Granit Rose berühmten rosa-farbenen Granit. Sie fallen steil zum Wasser hin ab und haben eine Höhe von bis zu 70 m. Die Wiesen, die das Kliffdach bedecken, sind am reizvollsten im Frühjahr und Sommer, wenn hier Wildhyazinthen, Narzissen, Weißwurz und Nelken blühen. Hinter den Klippen wachsen Stechginster und Erika. Cap Fréhel ist ein Vogelschutzgebiet, das eine Vielzahl an Brutvögeln beherbergt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

23.10.2019

Heute bei dem verhangenen Himmel brauchen wir die Kameras gar nicht erst auszupacken. Einige Fotos von 2011 geben aber einen Eindruck von dieser wunderschönen Landschaft.

 

 

Eigentlich sollte heute unser Endziel die Hafenstadt „Cancale“ sein. Aber es ist schon später Nachmittag und wir entschließen uns, auf einem winzig kleinen Stellplatz in dem Ortsteil „Le Fredy“ von Lancieux bei „Saint-Briac-sur-Mer“, zu bleiben. Cancale läuft uns nicht weg und kann noch bis morgen warten.