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BRETAGNE IM HERBST

Nachdem sich in diesem Jahr der Abfahrtstermin zu unserer „Sommerreise“  immer weiter nach hinten verschoben hatte, haben wir uns schweren Herzens entschlossen, der weiten Anreise nach Nordnorwegen zu entsagen. Für sechs Wochen lohnt sich die weite Anreise nicht so recht. Schon Anfang November steht ein Termin in Kiel an, um unsere Personalausweise zu erneuern. Stattdessen soll es am 15. September losgehen Richtung Bretagne, die wir ja auch sehr mögen. Und die Wettervorhersage für die nächste Zeit sieht recht vielversprechend aus. Ganz entgegen der Vorhersage für Norwegen. 

 

Aber irgendwie „ist der Wurm drin“. Am Tag vor der Abreise hat sich eine Krone bei Heiko von einem Zahn gelöst. Müssen wir nun doch wieder verschieben? Ach was … wir sind ja noch ein Paar Tage in Deutschland, bevor wir über die Grenze gehen. Da gibt es ja noch genügend Zahnärzte unterwegs. Wie schon oft machen wir unsere erste Nachtrast in Sittensen. Schade, der dortige WoMo-Stellplatz existiert zwar noch, wurde aber - nicht zum Vorteil - verändert. Die Plätze sind sehr eng - wir werden uns für die Zukunft wohl eine andere Zwischenübernachtung suchen. Im Internet finden wir in Sittensen einen Zahnart, bei dem Heiko am nächsten Morgen vorstellig wird. Es geht alles recht schnell vonstatten und der hüllenlose Zahn hat gegen Mittag seine Krone wieder. 

 

So, nun Leo starten und los, weiter Richtung Aachen, wo wir über die belgische Grenze wollen. Aber … Leo brummt so komisch. Was ist denn nun schon wieder los. Doch wohl nicht ein ähnliches Problem, wie schon in Italien, wo Leo einige Tage in der Werkstatt war. Wer hierzu mehr lesen möchte, bitte hier. Wie der Zufall es will, sehen wir genau gegenüber eine Mercedes-Werkstatt. Lieber dort mal die Elektronik checken lassen, ob vielleicht ein Fehler angezeigt wird. Langer Rede kurzer Sinn, wir können weiterfahren, es wird kein Fehler gemeldet. Na, dann hoffen wir mal, dass das so bleibt.

 

Nach einer Zwischenübernachtung auf einem ruhigen, grünen Stellplatz in Gladbeck geht es weiter auf der E42 über Aachen durch Belgien über Lüttich, Namur und Mons nach Valenciennes in Frankreich und weiter auf den Stellplatz in Estrun, nahe bei Cambrai. Das nette Plätzchen, auf dem wir schließlich landen, hatten wir überhaupt nicht erwartet. Direkt am Fluss „Schelde“ gelegen, total ruhig, großzügig bemessen und gut gepflegt. So bleiben wir gleich zwei Nächte und nutzen das warme, sonnige Wetter für eine kleine Radtour nach Cambrai zum Mittagessen, das wir eigentlich in einem typischen regionalen Restaurant einnehmen wollen. Wir sind hier schließlich in der Region Nord-pas-de-Calais. Also … „Willkommen bei den Cht’is“. Natürlich ist das von uns ausgesuchte Restaurant zu Renovierungszwecken im Moment geschlossen. Bevor wir noch lange in der Gegend herumfahren, um nach einer geeigneten Alternative zu suchen, halten wir uns an die Devise, dass man mit Italienischer Küche nicht viel falsch machen kann. Pizzerien sind auch in Frankreich mittlerweile überall zu finden.

 

19. September 2019

Heute morgen soll es nun weiter gehen, wir wollen endlich an die Küste zu Meer und Wellen … aber - ich sagte es schon - es ist der Wurm drin. Beim Zusammenpacken entdeckt Heiko im Heck Feuchtigkeit. Scheibenkleister. Was die nächsten fünf Tage folgt könnt ihr bei Interesse im unter diesem Link lesen. Wie man sich vorstellen kann, waren wir in den letzten Tagen dieser ganzen Schose  doch recht genervt. Fünf verlorene Tage, die wir bei herrlichstem Wetter zum Teil auf dem Werkstattgelände, und über’s Wochenende auf einem Campingplatz in der Sonne sitzend herumbringen mussten - wobei das ja nicht ganz stimmt. Heiko hat anfangs ordentlich mit angepackt. Was bei den engen Gegebenheiten im Heckraum ganz schön schlaucht. Mal ganz von dem nicht eingeplanten tiefen Griff in unser Portemonnaie abgesehen … ärgerlich!

24. September 2019

Endlich kann’s weitergehen - hoffen wir im Moment wenigstens. Noch sind wir skeptisch, ob das neu eingebaute Teil hält was man uns versprochen hat. Wie sich später herausstellt, ist dem wohl so … toi, toi, toi. Um uns der Möglichkeit, der Rückkehr zur Werkstatt bei Bedarf nicht zu berauben, fahren wir heute nicht allzu weit. Der Stellplatz in Conty bietet reichlich Platz, am nächsten Morgen kommt die Bäckersfrau vorbei und zum Frühstück können wir uns an frischen Mandel Croissants erfreuen. Aber nach all dem kommt immer noch kein richtiges Frankreich-Gefühl auf, angekommen sind wir noch nicht.

 

Der nächste Tag sieht schon wieder etwas besser aus. Obwohl der Wetterbericht für die nächste Zeit nichts richtig Gutes verspricht. Die sonnigen Tage scheinen vorbei zu sein, es ziehen Wolken auf und es wird viel Regen angesagt. Da kann man ja richtig schlechte Laune kriegen … kurzzeitig kommt die Überlegung auf, ob wir nicht doch noch einige hundert Kilometer weiter fahren sollten, in die Provence. Das verwerfen wir aber ganz schnell, meist wird doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. 

 

Heute, am 25. September, jedenfalls stehen wir auf einem riesigen, grasbewachsenen Stellplatz oben über den Klippen in der Nähe von Veules-les-Roses, das als eines der schönsten Dörfer der Normandie geführt wird. Es liegt an einer Einbuchtung der normannischen Steilküste, dort wo der Fluss „Veules“ in den Ärmelkanal mündet. Der „Veules“ ist nur 1149 Meter lang und damit der kürzeste Fluss Frankreichs. Relativ steil geht es auf einem Fußpfad vom Stellplatz hinab zum schönen Strand und zur Erkundung durch das Städtchen. Sehr hübsch und idyllisch ist es hier. Vor allem jetzt in der Nebensaison sind nur wenige Besucher unterwegs. Alte Wassermühlen verstecken sich entlang der Veules hinter Bäumen, Büschen und Blumen, ein Pfad führt vorbei an verwunschen wirkenden, Reet gedeckten Häusern. Fast an der Quelle des Flüsschens liegt ein Feld von Brunnenkresse, die bereits seit dem 14. Jahrhundert dort angebaut wird. In früheren Zeiten ein willkommener Vitaminspender im Winter. Die Ernte der Kresse findet in der Zeit von Oktober bis März statt. Das Wetter ist gnädig mit uns, erst als wir schon fast wieder zurück bei Leo sind, fängt es langsam an zu nieseln. Das kann uns jetzt nicht mehr stören.

Der nächste Tag, der 26. September,  ist dann wirklich so wie im Wetterbericht angesagt … verregnet und grau. Wir verbringen die Nacht an der Plage de Bruneval, bei St. Jouin Bruneval, die Steilklippen vor Augen. Eine Regenpause wird sofort genutzt, um ein wenig näher an den Strand zu gehen und die Wellen rauschen zu hören. Aber schöne Bilder sind leider nicht drin. 

 

Die Ferme de la Rouge Fosse (Bauernhof der Roten Grube -was für ein Name) bei Englesqueville La Percee im Department Calvados ist für die nächsten zwei (27./28. September) Nächte unser Rastplatz. Sehr angenehm mit allem was das Camperherz begehrt. Vor allem Ruhe und viel Natur. Und die Möglichkeit mal wieder eine Radtour zu unternehmen. Die Küste bei Englesqueville-la-Percée gehört zum westlichen Küstenabschnitt von Omaha Beach, wo am 6. Juni 1944 der D-Day, die Landung der Alliierten in der Normandie,  statt fand. Die Küstenstraße ist gesäumt mit Plakaten, die mit Portraits gefallener, den Namen nach zu urteilen, amerikanischer Soldaten an die Helden der Befreiung (Terre de Liberté) vor 75 Jahren erinnern. Da wird einem das deutsche Herz mal wieder schwer. „An der Pointe du Hoc können Reisende noch heute das Ausmaß der Kampfhandlungen am Omaha Beach sehen. An dieser Stelle hatte das amerikanische Ranger-Bataillon während des D-Day die Aufgabe, die 30 Meter hohen Felsen dieses Küstenabschnittes zu erklimmen, um einen Bunker des Atlantikwalls einzunehmen und dessen Kanonen zu zerstören.“ „Das Gelände des ehemaligen Kampffeldes wurde am 11. Januar 1979 den Vereinigten Staaten von Amerika zur dauerhaften Nutzung überlassen. Die ABMC (American Battle Monuments Commission) pflegt seither das Gelände und versucht, es im Zustand von 1944 zu erhalten.“ Wir fahren nur bis an das Denkmal heran, das auf einem weiträumig abgesperrten Gelände liegt. Viele Besucher sind unterwegs. Das Interesse an den damaligen Geschehnissen scheint ungebrochen zu sein und für einen samstäglichen Ausflug ist das Gelände ja auch bestens geeignet. 

 

 

Der Stellplatz am nächsten Tag, dem 29. September,  im Ort Isigny-sur-Mer, an der kanalartig ausgebauten Mündung des Flusses Vire, ist eigentlich ganz nett gelegen. Die Plätze sind durch Hecken eingegrenzt, was ein wenig Privatsphäre vermittelt, aber sie sind auch sehr eng. Nichts für ein längeres Verweilen. So bleiben wir nur eine Nacht. Der Himmel ist verhangen, der Regenschirm kommt vorsichtshalber zur Stadtbesichtigung mit. Der Ort hat nichts Besonderes zu bieten, nicht einmal viel Charme. Aber wir finden eine Brasserie, in der wir eine - wenn nicht DIE - Spezialität der Küstengebiete Nordfrankreichs probieren können: Moules Frites, Miesmuscheln mit Pommes Frites.  Auf normannische Art mit Apfelstücken in der Sahnesauße. Für Deutsche etwas ungewöhnlich diese Zusammenstellung, aber sehr schmackhaft. 

 

 

In Saint-Martin-de-Varreville haben wir das Glück am 30. September einen der drei dort vorhandenen Stellplätze für Wohnmobile direkt am Strand zu ergattern. Auch wenn es weiterhin Wolken verhangen ist und es immer mal wieder regnet, ist es doch nicht kalt. Heizen müssen wir gar nicht und können uns trotzdem im T-Shirt im Wagen aufhalten. Auch ein Spaziergang am Strand entlang bringt trotzdem Spaß. Auch hier sind wieder in etwas Entfernung die zerstörten Bunkeranlagen der Nazis zu besichtigen. Irgendwie auch unheimlich. Wenn man versucht, sich in die Männer von damals, verheizt in einem Krieg, hinein zu versetzen. Sobald das Meer sich bei Ebbe beginnt zurück zu ziehen, kommen laufend Pkw’s an mit Leuten bewaffnet mit Eimern, Schaufeln und Harken. Sie wollen Muscheln und/oder Schnecken „ernten“ - eine Delikatesse und Bereicherung des Speiseplanes, die man in Restaurants teuer bezahlen muss. Etwas weiter draußen sieht man die bei Ebbe freiliegenden Austernfarmen. Wenn das Meer geht, kommen die Austernbauern. Mit ihren Traktoren fahren sie bis an die Bänke heran und bestücken die metallenen Austernbänke mit hunderten Säcken prall gefüllt mit jungen Austern. Eine harte und langwierige Arbeit, die bis in die Dämmerung hinein andauert. Auch Reiter und Sulkis, die einachsigen Pferdefuhrwerke,  nutzen die weiten Sandstrände zu Galopp und rasanter Fahrt, da wird man richtig neidisch. Schön schaut das aus mit der Strandkulisse und dahinter das Meer.

 

 

Da wir nicht viel Strecke fahren und die Sonne sich nur mal spärlich zeigt, haben wir uns entschlossen wieder mal einen der netten Bauernhof-Stellplätze anzufahren, so haben wir Strom. Zwei Nächte bleiben wir am 1. und 2. Oktober auf der Ferme de la Froide Rue bei Reville, einem kleinen Ort auf der normannischen Halbinsel Cotentin im Department La Manche. Das Wetter ist uns mal wieder gnädig und wir können eine „trockene“ Fahrradtour am Meer entlang nach Barfleur unternehmen. Es ist recht windig, aber gut auszuhalten und auch überhaupt nicht kalt. Barfleur ist  hübsch mit einem kleinen Hafen. Fotowetter ist leider nicht gegeben. Trotzdem hat uns die Tour gut gefallen.

Heute, am 3. Oktober, wird mal wieder etwas Strecke gemacht - sonst kommen wir ja nie in der Bretagne an - und landen am Nachmittag im Örtchen Tinténiac am Schifffahrtskanal Canal d’Ille-et-Rance. Am nächsten Tag angenehme Temperaturen, fast Windstille und kein Regen, die Sonne stiehlt sich durch die Wolken, ideal für eine Fahrradtour entlang des Kanals mit seinen vielen Schleusen und blühenden Stegen, einem Abstecher zum charmanten Städtchen Hédé. Eine wunderschöne, verträumte, kuschelige Atmosphäre begleitet uns die gesamte etwas 24 km lange Strecke. Unterwegs legen wir Rast ein in einem ganz einfachen Restaurant, wo der Wirt „Mädchen für alles“ ist. Er bedient am Bartresen, steht in der (einsehbaren) Küche und brutzelt, bringt den Gästen das Gewünschte, und was eben noch so alles zu tun in einem Gasthaus. Das Essen ist sehr einfach, aber schmackhaft und zudem günstig mit 13 € für ein drei Gänge Menue. 

 

Und noch eine - etwas längere - Fahrradtour unternehmen wir am übernächsten Tag, dem 6. Oktober, von unserem Stellplatz bei den Ecluses, den Schleusen von Malestroit aus. Hier stehen wir zwei Nächte, am 5. und 6. Oktober und nutzen natürlich sofort das sonnige, warme Wetter aus. Entlang des Nantes-Brest-Kanals und des Flusses L’Oust geht es  am Vormittag los nach Josselin. Hin und zurück 55 km ebene Strecke unter Bäumen, vorbei an Feldern und ein/zwei winzigen Ortschaften. Herrlich. In Josselin kommen wir gerade rechtzeitig an, um in einer Creperie noch ein Mittagessen zu bekommen. Zehn Minuten später ankommende Gäste werden weiter geschickt, leider „fini“. Wir lassen uns unsere Galettes bretonnes, die typischen bretonischen Buchweizen Pfannkuchen, die im Gegensatz zu den Crepes herzhaft gefüllt sind, schmecken. Meine Galette ist mit einer Art Blutwurst und gedämpften Äpfeln gefüllt, Heiko hat sich für Roquefort mit Walnüssen und Salat entschieden. Dazu gibt es den ebenso typischen Cidre. So richtig gemocht haben wir Cidre eigentlich bisher nicht. Aber dieser schmeckt zu den Galettes richtig gut, er ist milde und eine eher süßliche Variante des sonst recht herben Getränks. Am späten Nachmittag zurück in Malestroit, im Übrigen auch ein nettes Städtchen mit „Charakter“, wie es angepriesen wird, ist ausruhen angesagt. 

 

Am nächsten Tag, dem 7. Oktober,  sind wir mehr als froh, dass wir den vorherigen Tag so gut genutzt haben … es regnet was das Zeug hält. Wir benötigen Strom, die Fahrradbatterien sollen neu geladen werden, also suchen wir uns einen Stellplatz in nur 18 Kilometern Entfernung, in Elven, aus, wo es Stromanschlüsse und Entsorgungsmöglichkeit gibt. Den Rest des Tages verbringen wir mit Lesen, Schreiben und Film schauen am Abend.

 

8. Oktober Elven-Stellplatz: der Morgen ist weiterhin verregnet. Gute Zeit, um sich mit dem Verfassen des Blog zu befassen, was bisher aus Unlust zu kurz gekommen ist.

Und siehe daaaa, die Sonne kommt hervor.