· 

JUCKPULVER AUF ACHT BEINEN

“Sie sind winzig klein und können doch einen Juckreiz verursachen, der einen in den Wahnsinn treibt. Wer von Grasmilben gebissen wurde, braucht viel Selbstbeherrschung.

Der Stich einer Stechmücke ist ärgerlich, aber der Juckreiz ist meist schnell wieder vorbei. Anders bei der Grasmilbe, auch bekannt unter den Namen Herbstmilbe, Herbstgrasmilbe, Erntemilbe, Herbstlaus und andere mehr. Es bilden sich rote Quaddeln, die manchmal bis zu zwei Wochen lang extrem jucken.“

 

Was für eine interessante Einleitung, nicht wahr? Vielleicht können sich ja die Meisten bereits denken, warum hier so ausführlich über dieses winzige Monster, von dem es über 50.000 verschiedene Arten auf der Welt geben soll, berichtet wird. In erster Linie mal, um gleich vor Augen zu führen, wie sehr der arme Mensch, der mit ihnen in Berührung gekommen ist, leiden muss.

 

Es fing an vor über sechs Wochen - noch in Spanien, zwei Tage nach unserer Abfahrt aus Velez Rubio. Wir aßen gerade Mittag in einem Restaurant.  Helga juckte es in der linken Kniekehle. Ist ja nichts Besonderes, denkt sie, mal wieder eine Mücke. Jede Mücke, die sich in der näheren Umgebung von Helga befindet, wird sich unweigerlich zu ihr hingezogen fühlen. Zurück im Auto Fenistil-Gel auf die juckende Stelle aufgetragen. Hilft bei Mückenstichen eigentlich immer gegen den Juckreiz. Diesmal aber nur für gefühlte fünf Minuten. Und was ist denn das, die Stelle ist viel größer angeschwollen, als bei Mückenstichen üblich. War vielleicht ein anderes Beiß-Stech-Getier. Doch im Bett, nach einiger Zeit unter der warmen Bettdecke kriegt Helga fast die Krise. Es juckt zum verrückt werden. Und nicht mehr nur in der linken Kniekehle. Beide Beine an mehreren Stellen bis rauf zur Hüfte. Selbstbeherrschung ??? Puh, den möchte ich sehen, der das ohne zu Kratzen aushält. 

 

Und das Ganze geht ein paar Tage lang so. Heiko ist nur marginal betroffen mit ein paar kleinen Stellen an den Knöcheln. Wir zermartern uns die Köpfe, was das denn bloß sein könnte. Jeden Tag kommen mehr Bisse hinzu, jetzt juckt es auch am Bauch. Die Betten werden durchsucht, nirgends im Fahrzeug ist etwas Fliegendes, Krabbelndes zu entdecken. Aber wenn das nicht bald aufhört, werde ich wirklich wahnsinnig. 

 

Dann eines Morgens beim Frühstück kommt die Erleuchtung: Diese Quaddeln, sehen die nicht aus, wie die, die wir damals in Costa Rica hatten? Die wurden durch Coloradillas verursacht, wie die Einheimischen uns erzählten. Sie selbst waren immun dagegen, zeigten keinerlei Reaktion auf die Bisse. Aber wir hatten Quaddeln, so groß wie 5-Mark-Stücke. Wieder in Deutschland fragten wir im Tropeninstitut Hamburg nach, ob jemand uns sagen könne, was Coloradillas eigentlich sind. Einer der dortigen Experten klärte uns auf … es handelte sich um … Milben. Nicht gefährlich.

 

So, der Gedanke war da, nun noch die Bestätigung aus dem Internet holen. Nun ging es daran, alle Klamotten, die wir in der letzten Zeit getragen hatten, das Bettzeug, etc. etc. so heiß wie möglich zu waschen und im Trockner zu trocknen. Die Schuhe wurden mit kochendem Wasser aus- und übergossen. Die Betten unter den Matratzen ausgewischt. Leo wurde ausgefegt, gewischt, der Teppich ausgeklopft … nun müsste eigentlich Ruhe sein. War aber nicht. Es wurden mehr Quaddeln. Der Juckreiz bei den älteren Bissen ließ nach, die neuen machten sich um so mehr bemerkbar. 

 

Als nächstes flog der Teppich raus. Betten erneut abziehen. Nochmal alle Klamotten waschen. Jetzt kommen ein paar ruhige Nächte. Große Freude … es ist vorbei. Ein paar Tage lang waren wir nicht gefahren und Helga hatte sich nicht im Fahrerhaus aufgehalten und keine Laufschuhe angehabt … alles klar? Nun fahren wir zu unserem nächsten Ziel. Helga trägt die mit kochendem Wasser behandelten Schuhe … und es fängt an zu jucken und schmerzhaft zu werden an den Knöcheln und rundherum kurz oberhalb der Socken. Nun reicht’s aber. Nochmals alles durchwischen, vor allem im Fahrerhaus. Die Klamotten vom Körper und fürs Erste fest im Plastikbeutel verpacken. Den Körper gründlich abwaschen. Und … die Schuhe kommen im Plastikbeutel ins Gefrierfach … da befinden sie sich noch. Ja, das ist nun über eine Woche her und seit dem: KEINEN EINZIGEN BISS MEHR. Die Monster saßen ganz offensichtlich noch in den Schuhen. Anders können wir uns das nicht vorstellen. Kochend heißes Wasser scheinen zumindest einige von ihnen überlebt zu haben. Die Minusgrade über einen langen Zeitraum werden sie hoffentlich vernichten. Aber trotzdem … die Schuhe kommen erst einmal nicht mehr an die Füße.

 

Wir haben uns natürlich Gedanken darüber gemacht, wie das passiert sein könnte. Tatsache ist, dass Helga bei den Mandelplantagen, um zu fotografieren, eine kleine Anhöhe hinauf geklettert war, ins Rutschen kam und Sand in den Schuhen und an allen Klamotten hatte. Wahrscheinlich ist der Boden gedüngt und die Mistviecher fühlen sich darin wohl. Es wäre eine Erklärung dafür, dass sie so derart viele Bisse hatte. Später dann, an der Algarve ging es ja noch einmal so richtig los. Dort haben wir alte Olivenbäume fotografiert und sind natürlich über Grasland gegangen. Vielleicht eine Erklärung.

 

Vor drei Tagen haben wir eine erste Bestätigung erhalten für unsere Theorie. Ein Engländer, der mit seinem WoMo neben uns stand und der sich mit Heiko unterhielt, erzählte, dass eine Bekannte von ihm in Portugal von Milben befallen worden sei und im Intimbereich heftig gepiesackt wurde. Er hat auch vor Zecken gewarnt. Portugal sei angeblich stark davon betroffen.

 

Im Moment meiden wir fast jeden Grashalm. Heute morgen standen in der Nähe unseres Nachtplatzes wunderschöne gelbe Mohnblumen … aber das Gebiet war vermint … auf jedem einzelnen der Grashalme rundherum wartete sicher schon das achtbeinige Juckpulver.