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EL TORCAL

El Torcal

Karstformationen … eine Landschaft aus Stein

 

Einen Tag lang machen wir Rast im Dorf „Campillos“ bevor es am nächsten Tag weiter, an Antequera vorbei, in die Sierra Chimenea geht. Inzwischen sind die Temperaturen merklich gesunken, wie angekündigt, weht mal wieder ein kalter scharfer Wind. Unser Ziel ist das Naturschutzgebiet „El Torcal de Antequera“. Es soll eines der beeindruckendsten Landschaften Spaniens sein. Vor sechs Jahren wollten wir hier schon einmal wandern gehen. Damals hingen die Wolken so tief, dass schon bei der Anfahrt  nur sehr wenig von der umgebenden Landschaft zu erkennen war. Als es dann auch noch anfing zu regnen, hatten wir von dem Vorhaben abgelassen und sind weiter gefahren. Diesmal haben wir hoffentlich mehr Glück. 

 

Das Naturschutzgebiet liegt auf einer Höhe von 1100 bis 1400 Metern. Umso höher sich der Weg unserem Ziel entgegen windet, desto kälter wird der Wind. Das merken wir rasch während eines Zwischenstopps zum Fotografieren der sich vor uns ausbreitenden, sanft hügeligen Landschaft mit den Bergen am Horizont. Weiter rechts sieht man, eigentlich ahnt man es bei dieser Witterung mehr, das Mittelmeer. Dort irgendwo liegt Malaga. Es ist wunderschön. 

 

Man glaubt es eigentlich kaum, wir sind schon so viele enge, kurvige, steile Straßen und Wege gefahren, dass wir meinen, uns könne diesbezüglich gar nichts mehr schocken. Und doch … bei der Anfahrt, oder sagen wir mal lieber der Steigung, zum Ort „Villanueva de la Concepción“ (wieder ein für uns merkwürdig anmutender Name: „Neudorf der Empfängnis“) mündet unser Weg in die kreuzende Hauptstraße. Ein Stoppschild zwingt eigentlich zum Halten, aber da wir Glück haben und gerade kein Fahrzeug kommt, ignorieren wir das Schild und biegen direkt rechts ein. Bei 20% Steigung aus dem Stand anfahren ist für unser 5-Tonner nicht gerade amüsant. 

 

Die Luft hoch oben ist gesättigt mit Feuchtigkeit, die Wolken hängen tief und der Wind geht eisig. Auf der Höhe angekommen, haben wir erst einmal den Eindruck, dass die Bäumchen und Büsche voller weißer Blüten wären. Aber nein … es sind Eiskristalle. An einigen, schattigen Stellen liegt ein bisschen Schnee. In tieferen Lagen hatte es gestern ordentlich Regen gegeben, hier oben kam er als Schnee an, oder gefror sogleich zu Eis. Wir machen erst einmal einen kleinen Probespaziergang, mal schauen, wie es von der Kälte her auszuhalten ist. Nach ein paar Minuten sind wir zurück am Wagen … und die Eispracht an den Büschen ist schon vergangen. Alles abgetaut. So schnell kann’s geh’n. Die Wolken werden im wahrsten Sinne des Wortes „in Windes Eile“ davon getragen. Doch neue ziehen schnell heran. Wir ziehen uns wärmere Klamotten an und nehmen für’s Erste den kürzesten Wanderweg von 1,5 Kilometern. Inmitten der Felsen ist es deutlich angenehmer, sie halten den Wind ab. Aber wirklich warm ist es trotzdem nicht. 

 

Schon nach wenigen Schritten sind wir tief beeindruckt von den wild zerklüfteten Felsformationen. 

 

“Das Gebiet des El Torcal lag vor ca. 100 Millionen Jahren unter der Wasseroberfläche. Von dem Meer das einst diese Gegend bedeckte, ist nur das Mittelmeer übrig geblieben. Durch die Jahrtausende währende Sedimentablagerung bildete sich Kalkstein. Im Zuge der Kollision der afrikanischen mit der eurasischen Erdplatte kam es zu Erhebungen und schliesslich zur Auffaltung der Sedimentschichten zu Hügeln und Bergen. Kohlensäureverwitterung gab dieser wildzerklüfteten Felslandschaft schliesslich ihr heutiges markantes Aussehen.“

 

“Neben den beeindruckenden geologischen Felsformationen gibt es im Torcal auch reichlich Flora und Fauna zu bewundern. Nicht selten sieht man Steinböcke ein Sonnenbad auf den Felsen nehmen. Libellen und zahlreiche andere Insekten schwirren durch die Gegend. Und es gibt eine beachtliche Anzahl an Reptilien und Vögeln. 11 verschiedene Reptilienarten, 82 Vögel und 22 verschiedene Säugetiere sind im Naturpark heimisch. Zur Flora zählen über 600 Pflanzenarten und 30 Arten wilder Orchideen. 6 dieser Orchideenarten kommen ausschliesslich im Naturpark El Torcal in Antequera vor.“

 

Wolken jagen am Himmel dahin, dann strahlt wieder die Sonne … schnell ein Foto … ach, nun liegt wieder alles im Schatten der Wolken … aber da, blauer Himmel … aufgepasst … man kann gar nicht so schnell gucken und reagieren. Der Weg ist stellenweise schlüpfrig, die Sohlen unserer Schuhe haben schon bald kein Profil mehr, der nasse, schwere, lehmige Boden klebt darin, und es ist ganz schön rutschig auf den glatten Steinen. Aber es ist sooo schön und beeindruckend. Diese Jahreszeit hat auch ihre Vorteile. Eine davon ist sicherlich, dass man zwar nicht allein unterwegs ist, aber außer uns hat es nur ganz wenige Leute hergezogen. Uns passt das ausgezeichnet. Aber was ist denn da vorne los? Eine Menschenansammlung … na ja, so 7 Leute … stehen dort auf einem Haufen mit ihren Fotoapparaten und langen Objektiven. Fotografieren wohl Vögel … aber ein Blick in die nahen Büsche und Bäume zeigt nicht einen einzigen Vogel. Das ist es also nicht, was dann? Und da stehen sie … Steinböcke … und sind von den Menschen in ihrer Nähe überhaupt nicht beeindruckt. Toll … diese Tiere sind eigentlich recht scheu, umso mehr freuen wir uns. 

Gegen 18:00 Uhr sind wir zurück. Hier oben wollen wir nicht über Nacht stehen bleiben und nehmen den Weg abwärts. Eine gute Entscheidung, so kommen wir in den Genuss der wunderschönen Abendstimmung über der unter uns liegenden Landschaft. Am Fuß des Naturschutzgebietes, am dortigen Freizeitgelände mit Tischen, Bänken und Grillplätzen finden wir einen ruhigen Platz für die Nacht. Zwar greift auch hier der Wind in der Nacht ordentlich an, aber es ist auszuhalten und es friert nicht. Es zeigt sich, dass unsere Entscheidung, nicht am Torcal stehen zu bleiben, Gold richtig war. Nach dem Frühstück fahren wir noch einmal hinauf, Heiko will noch ein paar Fotos machen. Erstens hat es hier oben heftig gefroren in der Nacht (die gestern noch matschigen, nassen Wege sind jetzt steinhart), zweitens ist schon am Morgen der Parkplatz reichlich gefüllt. Uns war mal wieder entfallen, dass heute Samstag ist … und an den Wochenenden ist ganz Spanien unterwegs.