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DIE RUHE VOR DEM STURM

Jede Medaille hat zwei Seiten

 

Die gute Seite: Ein herrlicher, sonniger, windstiller Tag am Strand

Die weniger gute Seite: Ein Sandsturm in der Nacht

  

Nach dem wir bei 20° an der Playa Carolina einen herrlichen Tag verlebt haben mit einer leichten Brise vom Meer, frischt gegen Abend der Wind ein wenig auf. Besser die Fenster schließen, die Erde ist staubtrocken. Der sehr feine, gelbe Sand vom Strand und der Umgebung legt sich gerne wie eine Staubschicht im Wageninnern auf alle Gegenstände ab. Was schon auf der Webseite des Wetterberichts zu sehen war, traf während der Nacht ein … ein heftiger, in Teilen orkanartiger Sturm aus westlicher Richtung. Das faucht und heult um uns herum, dass es eine Pracht ist. Auch der Morgen ist nach wie vor unruhig und wir entschließen uns, entgegen unserer sonstigen Gewohnheit, einmal früher aufzustehen und uns schleunigst von dannen zu machen. Weil … Leo versandet. Wie Rauchfahnen sehen wir den feinen Sand durch die Luft wirbeln, davor gibt’s kein Entrinnen. Es sei denn, man verzieht sich an einen Ort mit asphaltiertem Untergrund und schützenden Gebäuden oder Sträuchern. Schnell eine Katzenwäsche und wir verlassen den nun unwirtlich gewordenen Ort Richtung Aguilas.  Merkwürdig … der Blick über die Bucht an der Playa Carolina ist nun völlig offen, keine einzige Breitseite von Wohnmobil ist mehr zu sehen. Die haben natürlich die volle Ladung Wind von der Seite abbekommen und sind schon irgendwann in der Nacht ausgerissen, haben sich eine Ebene tiefer begeben und stehen jetzt dicht gedrängt aneinander mit den „Schnauzen“ in Windrichtung. 

 

“Die Menschen brauchen nur sehr wenig Platz auf 

der Erde. Wenn die zwei Milliarden Menschen, 

die auf der Erde leben, sich ein wenig 

zusammengedrängt aufstellten, eben wie bei 

einem Volksfest, dann könnten sie leicht auf 

einem Platz von zwanzig Meilen Länge und 

zwanzig Meilen Breite unterkommen. Man 

könnte die ganze Menschheit auf der kleinsten 

Insel im Pazifik zusammendrängen.“

                              aus: Antoine de Saint-Exupéry “Der Kleine Prinz“

 

Wir haben Lust auf frisches Gebäck zum Frühstück und fahren den nächstgelegenen Mercadona-Supermarkt an. Auf dem dortigen Parkplatz ist man zumindest vor Sandstürmen sicher und kann erst einmal in Ruhe sein Frühstück genießen, ohne dass Sand zwischen den Zähnen knirscht ;-)

 

 

Etwas außerhalb von Aguilas hat ein findiger Tankstellenbetreiber vor Kurzem einen großen WoMo-Platz errichtet, der uns jetzt wie gerufen kommt. Hier gibt es alles, was der vor Sandstürmen fliehende Reisende und sein Gefährt benötigt. Geschützte, ausreichend bemessenen Parzellen, Strom, WiFi, Ver- und Entsorgung, eine Waschanlage für die Leo’s dieser Welt (unser Leo hat eine Wäsche mehr als nötig), Autogas und - wer will - kann die vorhandenen Duschen und WC nutzen. Und das alles für einen sehr akzeptablen Preis. Hier bleiben wir bis zum nächsten Morgen, an dem uns wieder eine strahlende Sonne weckt, die Luft zwar um ein paar Grade kühler geworden ist, aber durchaus noch akzeptabel mit ungefähr 15 Grad. Und am späteren Morgen strahlt Leo zwar noch nicht gerade vor Sauberkeit, es gab nur eine oberflächliche Wäsche, aber der Blick durch die Fenster ist wieder frei auf die zauberhafte Landschaft, die sich uns auf dem Weg zu unserem nächsten Rastplatz bietet. 

 

 

In der Ruhe liegt die Kraft

oder: Eine karge Schönheit

 

Wir überqueren oder durchfahren etliche der für diese wüstenähnlichen Gebiete typischen „Ramblas“, die Trockenflussbetten, die im Moment wirklich nichts anderes als reine Sandbetten sind. Solange bis der nächste Starkregen irgendwo in den Bergen wieder eine Flutwelle verursacht und die zum Teil mit Orangen- und anderen Plantagen angebauten Flächen zunichte macht. 

 

Wir lieben die Kargheit dieser Landschaft und sind froh, dass wir mal wieder auf den Landstraßen nahezu völlig alleine unterwegs sind. Mit 30-40 km/h durch die Gegend zu schleichen, würde sonst wohl so manchen Hintermann zur Weißglut bringen. So können wir alles in Ruhe in uns aufnehmen und manchen Stopp für Fotos einlegen. Abgesehen von den vielen unterschiedlichen Formen der Hügel mit ihren in Reih und Glied stehenden noch blattlosen Mandelbäumen sind es die Farben der Erde und des Gesteins, die uns am meisten faszinieren. Dazwischen, meist verstreut, kleine Fincas und Anwesen, einige Dörfchen, und in der Ferne grüßen im Dunst die blauen Berge.

 

Den für heute angestrebte Nachtplatz in „Vélez Rubio“ erreichen wir gegen 16:00 Uhr. Ein angenehmer Ort zum Übernachten, den wir auf den vergangenen Fahrten schon häufiger genutzt haben. Abseits des Städtchens gelegen und herrlich ruhig. Die Nacht wird hier kühler als an der Küste, was uns aber ja nichts ausmacht. Morgen wollen wir weiter in Richtung Úbeda … unser im vorigen Jahr eingekaufte Vorrat an Olivenöl neigt sich dem Ende zu. In der dortigen Ölmühle wollen wir für Nachschub sorgen.