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GRENZFAHRT FRANKREICH - SPANIEN

Das Wetter fährt ganz schön Achterbahn (Wetter.de) 

oder wie Meister Mistral Leo das Fürchten lehrte

oder sind wir in Spanien? - Bon dia

 

“… das Lenkrad sollten Fahrer bei stürmischem Wetter mit beiden Händen fest im Griff haben … starker Wind kann ihr Auto ordentlich ins Schlingern bringen … auf Überholmanöver verzichten Sie am besten“ … ja, das ist wohl angezeigt, wenn die Windsäcke an besonders gefährdeten Abschnitten der Autobahn stramm in der Horizontalen stehen. Und wie sie stramm stehen in der Waagerechten auf der A9, auf der wir Richtung Spanien unterwegs sind, strammer geht’s nicht. 

 

Am Tag vor unserer Abfahrt aus Fontvieille, spricht uns ein Paar auf dem Stellplatz an … unsere marginalen Französischkenntnisse erlauben zumindest zu verstehen, dass ein Mistral im Anmarsch ist … mitleidige Blicke von uns zu Leo. Es wird kalt werden … die beiden netten Leutchen können sich wohl nicht so recht vorstellen, dass Leo auch bei niedrigeren Temperaturen sehr gemütlich ist. Und wir können uns (noch) nicht vorstellen, wie gemein der Mistral und später weiter im Süden und auch im Norden Spaniens der Tramontana sein kann, wenn man auf der Autobahn unterwegs ist.

 

Bis dann auf der A9, der Autobahn Richtung Barcelona, die ersten elektronisch gesteuerten Schilder darauf hinweisen, dass die Passage nach Spanien „difficile“ ist und vor allem Caravan besonders vorsichtig sein sollten.  Eine Bö jagt die andere, so etwas haben wir erst ein einziges Mal erlebt, vor zig Jahren in den USA. Für den Fahrer eine anstrengende Angelegenheit, er hat ganz schön zu tun, gegenzusteuern, und die Spur zu halten. Es dauert nicht lange, da schmerzen Arme und Schultern … och nee, das tun wir uns nicht länger an. Bei Béziers gehen wir runter von der Autobahn Richtung Sérignan und suchen Schutz auf dem Parkplatz eines großen Einkaufszentrums. Im hinteren Bereich haben sich schon einige Wohnmobile eingefunden. Hier, inmitten mehrerer Gebäude verläuft die Nacht relativ ruhig. Das Geheule des Windes hält sich in erträglichen Grenzen. Die Windstöße merken wir in der Kabine sowieso so gut wie gar nicht, Leo hat ja eine ausfahrbare hydraulische Niveauregulierung und steht bomben fest.

Auf der Weiterfahrt am nächsten Tag geht das Stoßen und Zerren des Sturmes aber erst so richtig los. Das gestern war ja gar nichts dagegen, stellen wir nun fest. Wie wird das erst an der Küste werden, wollen wir doch später die kurvige Küstenstraße über Banyuls-sur-Mer und Cerbère nach Spanien nehmen. Noch überlegen wir …  lieber weiter auf der Autobahn ?… oder doch Küstenstraße ? … oder überhaupt lieber irgendwo abwarten ? … Uns nerven die LKW’s die von Verzicht auf Überholmanöver anscheinend noch nie etwas gehört haben. Vor uns kommt ein Sattelschlepper doppelstöckig voll beladen mit Pkw’s ins Schlingern, wird von einem überholenden LKW auf die Notfallspur gedrängt… puh der hat souverän reagiert, noch mal gut gegangen. Plötzlich wird in einiger Entfernung vor uns die Abdeckplane eines DHL-Fahrzeugs von einer Bö erfasst, fliegt in voller Länge auf die Überholspur und wird noch am Fahrzeug hängend etliche Meter mitgeschleift. Man mag sich den Ausgang des Dramas nicht vorstellen, wenn die Autobahn voller gewesen wäre. Beide Fahrer, der vom DHL-Wagen, wie auch der Hintermann reagieren besonnen, und können einem Unfall ausweichen. So, nun haben wir endgültig die Nase voll … das wird uns zu anstrengend. Die nächste Abfahrt ist unsere. In Saint-André, einem kleinen Dorf südlich von Perpignon, finden wir Ruhe und Sicherheit auf einem mitten im Dorf gelegenen Stellplatz. 

 

Einen großen Vorteil hat dieser Wind allerdings, die Luft ist absolut klar, wenn auch eiskalt, mit einer fantastischen Fernsicht, der Himmel tiefblau, die Nacht sternenklar. Das lernen wir vor allem am nächsten Tag schätzen, entlang der Küste über Banyuls-sur-Mer nach Portbou und El Port de Llança in Spanien. Eine wunderschöne Strecke, trotz der vielen Kurven gut zu fahren. Nur Haltebuchten gibt es kaum. Der bekannte Banyuls-Wein wird hier angebaut. Im September/Oktober zur Weinernte und wenn die Herbstfärbung einsetzt müsste man wiederkommen.  https://de.wikipedia.org/wiki/Banyuls_(VDN) 

 

Auf der spanischen Seite machen wir Nachtrast in dem mittelalterlichen Städtchen Peralada, etwas nordöstlich von Figueres. Sind wir wirklich in Spanien … ? Am nächsten Abend haben wir an einem Weingut, dem Can Battle - ArtCava, in Avinyonet de Penedès übernachtet und natürlich deren „Cava“, den speziellen Schaumwein Kataloniens probiert. Man empfängt uns sehr freundlich, der nette Herr spricht ein wenig Deutsch, hat er doch bei Bosch in Deutschland gearbeitet. Er führt uns durch die Räumlichkeiten, ein uraltes Gemäuer, ausgestattet mit fast ebenso alten Gerätschaften … wirklich schön und anheimelnd. Der Höhepunkt ist im Gartenhof ein 1000jähriger Olivenbaum. Auf unsere Frage, ob man hier denn für die Abspaltung von Spanien sei, kommt die klare Antwort: „wir auf alle Fälle“ … vor 1000 Jahren hatte Katalonien schon eine eigene Regierung. Katalonien ist reich und Spanien nimmt uns zu viel weg, verpulvert unser Geld. Und außerdem haben wir eine eigene Sprache und Kultur.“  Er scheint davon überzeugt zu sein, dass Katalonien eines Tages selbständig sein wird … poco a poco. Auf der Webseite des Weingutes ArtCava findet sich der Ausspruch: „If as Catalans we say that Catalonia is not Spain, we also like to say that Artcava is not the same as other wineries“ (So wie wir Katalanen sagen, dass Katalonien nicht Spanien ist, sagen wir auch, dass Artcava nicht mit anderen Weingütern zu vergleichen ist). 

Wir wissen ja nicht, ob es auch anderen so geht. Aber wir haben durchaus das Empfinden, dass Katalonien sich um einiges vom Rest Spaniens unterscheidet. Insgesamt wirkt alles um ettliches gediegener, ordentlicher, sauberer. Selbst entlang der Straßen “vermissen“ wir den angesammelten Müll, den wir erst wieder in der Region Valencia entdecken. Im Restaurant ist es angenehm leise … man spricht gedämpft, kein Fernseher, kein Radio … aber echt, hier würde sich doch kein Andalusier wohlfühlen. Wie die Katalanische Sprache Gemeinsamkeiten mit dem Südfranzösischen (Okzitanisch) hat, so ähnelt auch die Region für unser Empfinden eher dem südlichen Teil Frankreichs als dem Rest Spaniens.  https://de.wikipedia.org/wiki/Okzitanien 

 

Inzwischen ist der Wind völlig abgeflaut, es wedelt kein einziges Palmenblatt vom Baum neben uns, nur das sanfte Rauschen der Wellen ist zu hören. Es ist angenehm warm, vielleicht so 18°. Schäfchenwolken am Himmel. In Vinaròs, zwischen dem Ebro-Delta und dem Ort Peniscola gelegen, hatten wir gegen 14:00 ein Restaurant gesucht und gefunden (leckeres “Menú del dia“ inkl. Wein u. Café zu 18 € für beide) und dazu noch einen hübschen kleinen Platz direkt am Meer.

So läßt es sich leben. Viva España.