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DIE STRASSEN VON MARSEILLE

FOTOS: freundl. Leihgaben von Jürgen Lübeck, vielen Dank
FOTOS: freundl. Leihgaben von Jürgen Lübeck, vielen Dank

 

Die Straßen von Marseille - Leo’s ultimativer Albtraum

 

Manchmal … nein, das ist so nicht ganz richtig … eigentlich meistens, sind wir im Großen und Ganzen froh ein Navigationsgerät an Bord zu haben. Vor allem, wenn wir auf dem Weg zu einem ganz bestimmtem Ort, zum Beispiel einem Stellplatz sind. Kleine Fehlinformationen sind oft schnell korrigiert, man kann ja, wenn möglich, wenden. Kein großes Problem also.

 

Doch gibt es Situationen, da hilft solch ein Navi nur sehr bedingt, oder auch gar nicht. Das Ding kennt ja die Maße des Fahrzeugs nicht und will einen partout in Gassen führen, die völlig ungeeignet für Leo sind. Schon mit Lola haben wir in kleinen Ortschaften in Spanien so manch brenzligen Moment erlebt, den der Fahrer am Ende nur mit kaltem Schweiß auf der Stirn meistern konnte. Bringt jetzt vielleicht einer der Leser den Einwand vor: „Es gibt doch auch Navi’s für Lkw’s“ ? Jo, die gibt es wohl, doch wenn man sich im Internet mal um“hört“, erkennt man schnell, dass diese auch nicht das Gelbe vom Ei zu sein scheinen. So manche Flüche von LKW- u. WoMo-Fahrern größerer Fahrzeuge kann man dort lesen, weil sie sich plötzlich in Straßen befanden aus denen sie nur noch mit Mühe und Not heraus kamen. Darum sind wir bei unserer alten „Lolita“ geblieben.  

 

Was passiert ist? … Marseille ist passiert. Helga hat als Beifahrerin gezittert und dem Allmächtigen gedankt, dass nicht sie am Steuer saß. Ein hohes Lob an unseren „Steuermann“ Heiko, der Leo heil und ohne Schramme zu unserem Ziel gebracht hat. Eigentlich war uns schon sonnenklar, das Leo hier seine erste Delle erhalten würde. 

 

Aber mal von vorn: 

Von Maussane-les-Alpilles sind wir gestern Richtung Osten aufgebrochen. Unser Ziel: ein laut Stellplatzführer sicherer, abgeschlossener Wohnmobilplatz am südlichen Rande von Marseille. Zu allem Überfluss hält ein Bus direkt beim Stellplatz und bringt einen in ca. 20 Minuten zum alten Hafen mit dem historischen Stadtkern. Oh … toll, dann können wir uns ja Marseille mal in Ruhe anschauen. Marseille ist ja nicht gerade als eine der sichersten Städte Frankreichs bekannt und Leo einfach irgendwo am Straßenrand zu parken, würde uns nicht behagen. Mehr als eine leckere Bouillabaisse in einem Hafenrestaurant an einem lauen Sommerabend vor fast 35 Jahren haben wir von Marseille bisher noch nicht erlebt. Diesmal soll es also ein bisschen mehr sein. Das Navi ist auf die GPS Daten des Stellplatzes eingestellt, wir kommen über die D568 und dem Ort L’Estaque nach Marseille herein. Vorbei geht die Fahrt an den Kais. Ein riesiges Kreuzfahrtschiff neben dem anderen, vielleicht sechs bis acht von ihnen haben hier festgemacht. Beeindruckend. Bis hierher also alles bestens. Das Navi zeigt die Richtung A55 an. Ja genau, die Autobahn wollen wir auch nehmen, wir müssen ja durch die ganze Stadt durch. Der Stellplatz ist am südlichen Stadtrand gelegen.

 

Aber hej … was soll das denn? Das könnt ihr doch nicht machen. An der Auffahrt zur Autobahn ein Verbotsschild  für Fahrzeuge über 3,20 m Höhe. Zur Erinnerung: Leo hat eine Höhe von 3,40 und eine Breite von 2,40. Lange Zeit zum Überlegen gibt es nicht, schnell geblinkt und links abgebogen. Das Navi rotiert eine Weile, bevor es eine neue Route anzeigt. Uns bleibt nichts anderes übrig als zu folgen. Keine Möglichkeit zum Halten. Würde auch nichts nützen, wenden ginge sowieso nicht. Alles Einbahnstraßen und eng. Heiko rauft sich die Haare, Mist, hoffentlich kommt bald eine normal breite Straße, auf der es weiter geht. Jaaa, da vorne, rechts ab. Nun haben wir es wohl bald geschafft. Viel schlimmer kann es hoffentlich nicht werden, als eben. Aber da steht ja schon wieder so ein Höhen-Verbotsschild für geradeaus, da wo wir also lang wollen, lang müssen. Die Richtung, die das Navi anzeigt. Och nee, nicht schon wieder. Jetzt ist Heiko ziemlich angefressen, was soll ich denn bloß machen, wenn wir da nicht weiter kommen? 

 

Kurz vorher kann man sich aber noch schnell entscheiden: nach links oder nach rechts abbiegen, denkste rechts Einbahnstraße mit Sperrschild? Wir nach links. Und … wo sind wir denn hier gelandet? Ein uraltes Viertel muss das sein. Verkommen, schmutzig, verfallen. Die Fahrbahn hat die Breite einer Brauereikutsche. Ein schmaler Bürgersteig, in Abständen Schutzgitter für die Fußgänger.  Parkende Fahrzeuge, Abfallcontainer. Sind wir in Algerien, Tunesien oder Marokko gelandet? Um uns herum Menschen offensichtlich dieser Abstammung. Wenn wir jetzt hier stecken bleiben und nicht vor und zurück können, was machen wir dann? Da hilft nur beten. Nach dem Weg fragen würde auch nichts nützen. Die Polizei rufen und uns rausführen lassen? Nach unserem Gefühl sind wir eine Ewigkeit in diesem Gassengewirr unterwegs. Marseille hat eine ganz schöne Ausdehnung. Heiko sieht ihn als erstes, ein LKW biegt vor uns von rechts kommend in unsere Gasse ein. Ein leichtes Aufatmen. Wenn der da vorne durch kommt, dann wir auch. Die Straße wird etwas breiter, ein Bus kommt entgegen, zirkeln, ausweichen, stehen bleiben, vorbeischleichen. Auf dem Navi sehen wir, dass das endgültige Ziel nicht mehr weit ist. Erst einmal noch nach links abbiegen.  

Okay gemacht …

wir stehen bereits in der Straße … was steht da am Straßenrand?

Wir bleiben stehen, um zu überlegen. Lautes Hupen von allen Seiten, wir sind umzingelt. Ein freundlicher Mensch kommt auf uns zu, um uns klar zu machen, dass wir da aber auf gar keinen Fall, niemals nicht, mit Leo durchkommen können. Ist ja nett gemeint, aber das sehen wir auch selbst. Der freundliche Mensch hält die anderen Verkehrsteilnehmer in Schach. Also rückwärts raus und in einem großen Bogen einen anderen Weg einschlagen. Immer noch eng, rechts parkende Fahrzeuge, links sich zur Strasse neigende Mauern oder Hausecken, aber die Busse in Richtung Stadtmitte sind hier unterwegs und was die können, können wir jetzt aber auch. 

 

Heil auf dem Stellplatz gelandet. Schön ist er nicht, ziemlich eng … aber das Wichtigste für uns ist gegeben. Er ist wirklich bewacht und wird abgeschlossen. Aber heute haben wir nicht die geringste Lust mehr, mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Der Abend wird mit einem Glas Wein und Selbstgekochtem beschlossen.