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SINAI 2001

© Helga Köhrer-Wagner

 

Ägypten/ Sinai Mai 2001 - Kurzfassung

 

Die Wüstentour war einfach einmalig - mit nichts zu vergleichen. An einigen Tagen war es für uns sehr, sehr anstrengend- einmal bis kurz vorm Zusammenklappen. Aber die Eindrücke, die Stille, die Ruhe der Beduinen, das Staunen darüber, mit wie wenig man so viel machen kann (Essen kochen und Brot backen zum Beispiel), mit wie wenig Wasser man tatsächlich auskommen kann (zum Waschen hatte jeder von uns an manchen Tagen nur eine halbe Literflasche voll) und, und und, liessen uns die Anstrengung schnell vergessen. Abends waren wir todmüde und haben meist schon um 21.00 fest geschlafen. Wiederum auch kein Wunder, da es bereits gegen 20.00 stock dunkel ist - es sei denn es ist gerade Vollmond, was auch seinen Reiz hatte, da du dann nachts sehen konntest, wohin du zum „Geschäft machen" gehen konntest. Andererseits waren wir zwischendurch auch immer mal wieder in Oasen und an Stellen, wo die Beduinen im Voraus genau wussten, da ist Wasser. Dies wird über Kilometer mit dicken schwarzen Schläuchen von irgendwelchen Bergquellen zu gemauerten Wasserreservoirs geleitet. Hier konnten wir dann "duschen" und unsere Kleidung waschen. War witzig, so mitten in der Wüste, hinter irgendeinem Felsvorsprung stehend, sich mit kaltem Wasser aus dem Schlauch abzuduschen. Handtücher brauchte man gar nicht, trocken war man innerhalb von Sekunden. Ein gewaschenes Hemd war innerhalb von 10 Minuten knochen trocken. Die Beduinen selbst sind ein stolzes, zurückhaltendes Volk. Was wir als angenehm empfunden haben. Nachdem unsere beiden Führer uns eine Weile kannten, tauten sie auf. Haben während der Kamelritte lauthals gesungen, sich Witze erzählt und viel gelacht, über uns ihre Scherze getrieben und uns mit einbezogen. Schade war wirklich nur, dass wir nicht miteinander sprechen konnten. Sie sprachen

kein Englisch, wir kein Arabisch. Aber das hat auch Vorteile. Man ist nämlich gezwungen, mehr zu beobachten und seine eigenen Sinne zu schärfen. Wir waren auch sehr froh, dass wir nicht in einer größeren Gruppe mit anderen Europäern waren. Nur so kann man wirklich alles auf sich wirken lassen. Das Kamelreiten ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Aber was ich vorher schon gelesen hatte, hat sich auch als richtig herausgestellt: Wenn man nur einmal einen kurzen Wüstenritt von ca. 3-4 Stunden mit Kamelen macht, steigt man ab und sagt "nie wieder". Nach spätestens 1 1/2 Tagen hat sich aber der Körper an den Rhythmus gewöhnt, man schaukelt nur noch aus der Hüfte heraus und nicht mehr mit dem gesamten Oberkörper, und es hat etwas meditatives. Zwischendurch sind wir aber auch viel marschiert - vor allem über die Berge. Was wirklich schwer fiel, war das Schlafen auf dem Sandboden. Der ist nämlich nicht etwa weich und nachgiebig, sondern steinhart. Aber auch daran hatte man sich irgendwann gewöhnt und außerdem war man viel zu müde (auch während der mittäglichen Rasten), um nicht schlafen zu können. In der zweiten Woche waren wir dann mit einem Auto unterwegs (nicht etwa mit Allradantrieb, sondern ein einfacher Pick-up, auf dessen Ladefläche hinten Heiko und ich bei schönem Fahrtwind saßen). Der Beduine, der uns da begleitete und auch fuhr, sprach etwas Englisch. Das nächste Mal würden wir sicherlich nur mit Kamelen unterwegs sein. Man kommt nicht so weit, aber es ist viel reizvoller. Über die Fahrkünste der Beduinen konnten wir nur staunen: wir hätten wohl schon nach einer Stunde irgendwo im Sand festgesessen ohne Allradantrieb. Sie haben die Ruhe weg und sind total einfühlsam.

Gewöhnungsbedürftig war aber auch das Verhältnis der Geschlechter untereinander. Die Frauen verschleiert und fast nur getrennt von den Männern. Ich als Fremde meist nur unter Männern. Begrüßt in dem Sinne wurde ich fast nie - wenn wir zum Tee eingeladen waren - manchmal war es als sei ich Luft für die anwesenden Männer. Es gab aber auch andere, denen man die Güte und Gutmütigkeit schon von den Augen ablesen konnte. Die hatten meist auch kein Problem damit, mich wenigstens mit Blicken wahrzunehmen. Das nächste Mal werde ich mich vorher noch eingehender informieren, wie ich es anstellen muss, nicht in der Teerunde bei den Männern zu sitzen, sondern mich zu den Frauen zu gesellen. Das ist mir nur zweimal gelungen. Der Fehler lag aber an mir, da hab ich wohl etwas nicht

richtig gemacht. Ich hätte es wahrscheinlich klar zu verstehen geben müssen, dass ich mich von meinem Mann getrennt zu den Frauen begeben möchte.

Ich muss sagen, das waren alles Eindrücke, die viel tiefer reichen, als ein oberflächliches Ferienerlebnis. Das verarbeitet man alles erst jetzt - hinterher.

Ein Beispiel:

Unser Beduinen-Führer, er hieß Gomma (Djomma gesprochen), hatte uns versprochen, morgen gäbe es Ziegenfleisch. Wir hatten ihm gesagt, dass wir das noch nie gegessen hätten und er meinte, das sei das Beste was es gäbe - außer Kamelfleisch. Er fuhr also am nächsten Tag los, um das Versprochene zu holen. Es dauerte und dauerte. Na klar, dachten wir, die Ziege muss ja auch erst geschlachtet und gehäutet werden, das dauert eben. Als dann sein Wagen in Hörweite war, wurden wir eines Besseren belehrt: "mähhhh, mähhh, mähhh". Da erst wurde uns klar, wir befinden uns hier ganz dicht am wirklichen Leben. Willst du Fleisch essen, musst du eben auch das Tier töten können - oder zumindest es ertragen, dass du das mitbekommst. War ein kleiner Schock für mich - obwohl ich nicht von der gefühlsduseligen Sorte bin. Mir wurde klar, wie weit wir in unserer "Zivilisation" uns von der Wirklichkeit entfernt haben. Was soll ich sagen, das Ziegenfleisch schmeckte tatsächlich wunderbar. So etwas Feines gibt es hier glaube ich gar nicht. Überhaupt - was die Beduinen essenstechnisch mit ihren einfachen Mitteln zustande bringen, ist phänomenal. So kocht bei uns so mache/r nicht mit der best ausgestattesten Küche. Jeden Morgen und Abend wurde Fladen-Brot gebacken aus Vollkorn Mehl, Salz und Wasser. Dazu gab es meist Eintöpfe aus viel Gemüse, zu dem auch Kartoffeln zählen. Hierzu wurde dann gewürzter Reis oder Nudeln gereicht. Wohlschmeckend, gesund und sättigend.

Am letzten Tag der zweiwöchigen Tour waren Heiko und ich dann auf dem “Moses Berg“. Das hieß um 24.00 mit dem Taxi zum Fuß des Berges. Um 01.30 waren wir dort und sind sofort losgegangen. Zuerst recht sanft bergauf, später immer steiler. Es war stockdunkel, aber hinter uns sahen wir bald

die Lichtkegel der anderen "Pilger", die uns dann recht bald überholten, da sie jünger und viel fitter waren. Unterwegs hatten die Beduinen kleine Teestuben (sehr primitiv) aufgestellt. Nach ca. 1 1/2 Stunden waren wir schon recht geschafft, schwitzten und froren gleichzeitig, da dort oben ein recht guter Wind geht. Also rein in die Teestube, einen heißen Tee genehmigen, ein Mars essen, und Kraft sammeln. Nach ca. 1 Stunde Ruhe sind wir weiter gestiegen. Meine Güte, am liebsten hätte ich aufgegeben. Tagsüber bei der Hitze hätte ich das nicht ausgehalten. Aber auch so war es eine Tortur. Einige Touristen - meist Japaner - waren 2/3 des Weges unter Führung von Beduinen mit Kamelen geritten. Das letzte Drittel aber mußten sie nun steigen. Die kurzbeinigen Japanerinnen haben sich

tatsächlich von den Bedus fast nach oben "tragen" lassen. Das heißt diese haben sie hinter sich hergezogen und geschleppt. Wäre es nicht so furchtbar anstrengend gewesen, hätte ich schallend lachen mögen über diesen Anblick. Oben vermieten einige geschäftstüchtige Beduinen Filzdecken an die völlig ausgelaugten Menschen. Manche, so wie wir auch, denken nicht daran, dass es da oben ganz schön kalt ist in der Nacht und am frühen Morgen vor Sonnenaufgang. Es gibt auch ältere Leute dabei, die wahrscheinlich tatsächlich so eine Art Pilger sind. Immerhin hat Moses hier die 10 Gebote von Gott erhalten - so sagt jedenfalls die Bibel. Die halten wohl nur mit dem Gedanken an Moses selbst durch, der damals immerhin über 80 gewesen sein soll. Wir jedenfalls haben eine Decke gemietet, uns in eine einigermaßen geschützte Ecke verkrochen, und sind irgendwie wohl tatsächlich in unbequemster Sitzhaltung eingeschlafen. Wach wurden wir dadurch, dass um uns herum plötzlich totales Gewimmel war: Der "schönste Sonnenaufgang" (der Welt?) kündigte sind an. So spektakulär war es dann aber doch nicht. Am Horizont hing eine Dunstwolke. Aber dennoch war es sehr beeindruckend, über die übrigen Berge des Sinais zu blicken mit dem roten Horizont. Ob man’s glaubt oder nicht, es hatte etwas "biblisches", aber wahrscheinlich nur, weil man davon weiß. Der Abstieg

ging dann über die „Moses Stiege" hinunter. Hierher trauten sich die kleinen Japaner nicht so recht, die ließen sich lieber von den Kamelen hinunterbringen auf dem bekannten Pfad. Meine Güte, um nichts in der Welt möchte ich diese Stufen (sollen so um die 3000 an der Zahl sein) hinauf

zur Spitze gehen. Runter war schon schlimm genug. Zwei Tage lang waren meine Waden hart wie Stein und schmerzten bei jeder Bewegung. Und diese "Stufen" soll Moses mit 80 Jahren hinaufgegangen sein. Daher auch der Name „Moses Stiege". Alle Achtung! > Danach dann haben wir erst einmal im Hotel in Sharm el Sheikh zwei Tage lang nur geschlafen, geduscht, gegessen, geschlafen, geduscht, gegessen, geschl....!!!! Die Hitze wurde allerdings die letzten Tage auch immer

größer, zuletzt müssen es um die 40° gewesen sein. Einen Tag haben wir noch am Strand verbracht und haben uns etwas im Schnorcheln geübt. Eine wunderbare Unterwasserwelt tut sich einem da auf. Es war, als sei man in ein Aquarium gestiegen. Und das gleich vorne an, nach nur ein paar Schritten hinein ins Wasser. Unglaublich. Aber das mit dem Schnorcheln ist nicht so ganz unsere Welt, vielleicht brauchen wir dazu besseres Equipment. Außerdem ist alles ungewohnt und irgendwie erwarteten wir

jederzeit das Auftauchen einer Muräne, wenn nicht eines Hai's. Was sicherlich völlig aus der Luft gegriffen ist.

Und dann haben uns "unsere" Bedus noch an einem Tag abgeholt und sind am Abend mit uns zu einer Beduinen Hochzeit in die Wüste gefahren. Es war so stockdunkel, dass unsere Augen sich doch ziemlich lange erst daran gewöhnen mussten. Die Tänze und Gesänge waren schon recht beeindruckend. Von der Hochzeitszeremonie selbst haben wir allerdings nichts mitbekommen.

Aber soviel ich verstanden habe, gibt es auch keine richtige. Es ist eine Sache zwischen den Brauteltern (Geldübergabe etc.) und den engsten Verwandten. Die übrige Sippe feiert eben mit ihren Tänzen und Gesängen. Es gab auch kein großes Essgelage.

Am aller letzten Tag wurden wir noch einmal von den Bedus zu einem Abschiedsessen eingeladen. Wieder ging es ab in die Wüste und es wurde ein letztes Mal für uns gekocht, und die letzte Nacht auf dem Wüstenboden verbracht. War viel angenehmer als im Hotelzimmer. Es wird immer gesagt,

die Nächste in der Wüste seien kalt. Aber das ist natürlich relativ. Es wird im Gegensatz zu der Hitze des Tages angenehm kühl und irgendwann, wenn es zum Morgen zugeht - so gegen 4.00 Uhr - wird es noch etwas kühler, dann braucht man wirklich seine Wolldecke. Aber kalt fand ich es nicht. Mag sein, dass das zu einer anderen Jahreszeit anders ist. Und der Sternenhimmel in mondlosen Nächten ist wirklich sagenhaft. Man hat das Gefühl, man könne die Sterne greifen. Und du siehst das Band der Milchstraße. Wunderschön.